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Fachartikel


Projekt Peacecamp: Nicht mehr Opfer und nicht mehr Täter sein
von Mag. Evelyn Böhmer-Laufer u.a.
Jugendliche aus Israel, den Palästinensischen Gebieten, Österreich und Ungarn untersuchen Hindernisse auf dem Weg zu Verständnis und Koexistenz
Ein Hadassah Austria Projekt unterstützt von der Europäischen Union, dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kunst und der Karl Kahane Stiftung

Vom 15.-25. Juli 2006 fand in Franzen im Waldviertel das vierte "peacecamp" mit Jugendlichen aus Israel und den Palästinensischen Gebieten sowie aus Österreich und Ungarn statt. Es bot ihnen Gelegenheit, einander in ihrer kulturellen, religiösen und nationalen Vielfalt mit all ihren Unterschieden und Ähnlichkeiten kennen zu lernen. Kreative und sportliche Spiele, gruppendynamische Übungen, psychoanalytische Großgruppen und zahlreiche Diskussionsrunden sollten es ermöglichen, jenen Faktoren auf die Schliche zu kommen, die zwischen Gruppen und Völkern statt des gewünschten Miteinanders nur all zu oft feindseliges oder aggressives Gegeneinander entstehen lassen.

Eine psychologische Studie – durchgeführt von Prof. Ulrich Kropiunigg (Universität Wien) wird den Impakt des Projekts auf Parameter der Xenophobie und den Möglichkeiten gewaltfreier Konfliktregelung evaluieren.

Weitere Information unter peacecamptexts.blogger.de

Idee und Konzept: Evelyn Böhmer-Laufer



Statt Mauern Brücken bauen

J. ist Palästinenserin und lebt in Jerusalem. Den Fragebogen über das peacecamp füllt sie in Englisch aus; mit ihren palästinensischen Klassenkameradinnen unterhält sie sich auf Englisch; sie spricht wohl Arabisch, lesen und schreiben fällt ihr aber in Englisch leichter; sie besucht das Anglikanische Gymnasium in Jerusalem, eine Privatschule mit Englisch als Unterrichtssprache. Sie liebt Clubbings, coole Shirts, tanzen, ihre Busenfreundin M., Hip-Hop und flirten mit den älteren Jungs vom Camp. Sie ist Feministin und äußert sich klug und kritisch über die in der arabischen Welt übliche untergeordnete Rolle der Frau: zu Hause bleiben und Kinder groß ziehen, kochen, sich dem Mann unterordnen, den Mann um Geld bitten und für alles Rechenschaft ablegen müssen - ein für sie unvorstellbares Rollenbild, dem sie nichts abgewinnen und das sie nicht billigen kann.

Sie lebt in Jerusalem, gleich am Checkpoint; wenn sie schnell was einkaufen gehen will, muss sie ihn passieren und fühlt sich dann ganz der Willkür der israelischen Soldaten, die kaum älter sind als sie, ausgeliefert. Oft wird sie am Checkpoint bevorzugt - schneller, weniger schikanös - behandelt als andere, ältere Frauen oder Männer, die den Checkpoint auf ihrem tagtäglichen Weg zur Arbeit passieren müssen. Diese „bessere“ Behandlung ist ihr zuwider, gilt sie doch ihr, dem schönen, jungen Mädchen und nicht ihr, dem Menschen. Sie verabscheut die Blicke der Soldaten am Checkpoint und noch mehr ihre Hände, die sie zum Zwecke der Überprüfung betasten dürfen. Gern würde sie den Soldaten sagen, was sie von deren Macho-Gehabe hält, lässt dies aber aus pragmatischen Gründen bleiben: Sie möchte keine Probleme bekommen, sondern nur schnell den Checkpoint passieren und ihres Weges gehen dürfen.

H. und R. leben in Sderot und sprechen weniger gut Englisch als die anderen TeilnehmerInnen des peacecamps. „Wir haben niemals mehr als drei Stunden Unterrricht hintereinander.“ erzählt H., sich für sein fehlerhaftes Englisch rechtfertigend. “Immer wieder ertönen Sirenen von Einsatzfahrzeugen, immer wieder hört man den Aufprall einer Kassam-Rakete; immer wieder muss man auf der Stelle aus der Klasse und in den Luftschutzraum.“ Er könne deswegen „weder bei Tag noch bei Nacht schlafen“ und schon deswegen dem Unterricht nicht wirklich folgen.

H. wirkt traurig, depressiv und ängstlich. Den Gruppenleitern traut er zunächst nicht; er weiß nicht, wie Menschen einzuschätzen, ist sich des Wohlwollens Anderer gar nicht sicher. Er versteckt sich unter der Bettdecke, möchte gar nicht aufstehen; die Gruppendiskussionen machern ihm Angst: Was will man eigentlich von ihm? Will man ihn testen? Ist all das hier ein mysteriöses psychologisches Experiment? Ist das Wort „peacecamp“ nur Tarnung für ein Labor, sind er und die Anderen hier „Ratten“ in einer Art „Labyrinth“?

Dass man von ihm nichts will, sondern viel mehr bestrebt ist, ihm etwas zu geben - ein paar Tage Erholung von dem tagtäglichen Horror, den er lebt, einige seinem Alter entsprechenden sportlichen und kreativen Aktivitäten - dass ihm niemand Böses will und er hier einfach er selbst sein darf, begreift er erst allmählich. Als er das versteht und auch annehmen kann, erfüllt ihn große Dankbarkeit, und er versäumt keine Gelegenheit, sich zu bedanken: „Danke, dass ihr so ein peacecamp macht, danke, dass ich mit durfte, danke für die Feier von gestern", danke für dies und jenes. Die übergroße Dankbarkeit ist uns Erwachsenen peinlich, ist sie doch, angesichts dessen, was man ihm hier tatsächlich zu bieten hat, etwas übertrieben – ebenso wie das anfängliche Misstrauen der Situation nicht angemessen war. Man hat ihm und den andereren Jungs und Mädchen, die für zehn Tage nach Franzen ins Waldviertel kamen, nicht viel mehr gegeben als das, was jedem Kind, jedem Jugendlichen täglich zustehen würde – Sicherheit, Geborgenheit, Verpflegung und etwas „Fun“. Auch hier können viele nachts nicht schlafen, aber nicht, weil Kassam-Raketen oder Selbstmordattentate sie aus dem Schlaf reißen, sondern weil sie hier die Tage und die Nächte brauchen, um das aufzuholen, was sie daheim, in ihrem Leben und Alltag versäumen: die Möglichkeit, ausgelassen und lustig zu sein, den Erwachsenen einen Streich zu spielen, zu lachen, zu basteln, zu klettern und nachts Feste zu feiern, genau wie es Menschen ihres Alters überall und in jeder Kultur gerne tun.

Auch R. lebt in Sderot; wie H. ist auch sie religiös und singt gern leuchtendes Auges Shir Hama’alot, jenen Psalm, mit dem man G'tt während der Geburt eines Kindes preist und der symbolisiert, dass die Erziehung eines jüdischen Kindes bei dessen Geburt ihren Anfang nimmt. R.s Vater ist Rettungsfahrer und erlangte traurige Berühmtheit, als er nach einem Terroranschlag auf den Kibbutz, in dem seine Familie lebt, sein eigenes, nur 7 Monate altes Enkelkind aus den Flammen bergen und retten konnte. In den darauf folgenden zwei Jahren musste dieses Enkelkind zahlreiche Operationen über sich ergehen lassen und ist immer noch nicht völlig genesen.

Trotzdem hat R. immer, aber auch immer, ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht, singt immer wieder stolz und voller Freude Shir Hama’alot und sagt: „Unser Leben in Sderot ist schrecklich. Es vergehen kaum ein paar Stunden, ohne dass irgend etwas passiert. Aber ich habe hier gelernt, dass es auch für die Anderen sehr schwer ist. Es ist sehr notwendig, zu verstehen, dass es auch die Anderen sehr schwer haben, genau so schwer wie wir. Wenn es beide verstehen, kann es vielleicht ein Ende (der Gewalt) geben“.

Am letzten Tag des peacecamps sieht man I. und J. in inniger Umarmung von einander Abschied nehmen. I., den religiösen Jungen mit politischen Statements auf seinen T-Shirts: „Hinaus aus Gaza“ steht darauf oder „peace now“. In J., dem palästinensischen Mädchen, das nahe dem Checkpoint lebt, hat er seine Seelenverwandte gefunden: „Dieses Camp war das Beste, das wir je erlebt haben,“ sind sie sich einig, „weil der Weg zum Frieden über den Dialog, die Verständigung führen“ müsse: Wir müssen Brücken bauen, keine Mauern, sagen beide.

Ihre Umarmung ist für die Brücke zum Frieden ein erster Baustein.

Autorin: Evelyn Böhmer-Laufer, Projektleiterin




peacecamp 2006: the day we lay down our weapons to fire our voices ...

Which prelude to peace would you choose? Troops marching into Lebanon with AK-47’s in front of their faces, or groups from ‘Peacecamp’ skipping into Vienna aeroport with nothing but peace in mind and mouths full of strong debate? Both troops and groups claim to have the same mission, the mission for peace. Now isn’t that ironic?

Before coming to Franzen I thought that politics would cause thunder and lighting to dance across the debating floor. As the days passed by, it dawned on me why politics was always secondary during group sessions, and furthermore, why political discussions never ended in bloody fist-fights, screeching, or scratching. Only after a while I realised that the purpose of four nationalities coming together in a village in the heart of Austria’s rural community, was not only to find out what could be done with Hezbollah, Israel, Syria, Iran, and so on, but rather to learn to simply co-exist together. The israeli’s, palistinian’s, austrians, and hungarian’s seemed to have packed no prejudice nor anger into their suitcases.

The particpiants from Israel represent a minority. They are a progressive segment of people within their society. On a freqeunt basis they have to deal with racism, prejudice, and violence. Debate seems like an abstract tool that gets them nowhere. However, these participants have learned that there is still hope, that there are still people who believe in peaceful negotiations. Some of them suggest they did not even know that there were people ‘from the other side’ sharing their peaceful thoughts.

Even though we sometimes kicked off group dynamic discussions by conversing about the role of pets in society, and such, we found that when the time was right we were also able to talk out human issues. These issues usually received 110 per cent patricipation level - this included topics such as women’s rights, social policy, globalization and a couple others. We all knew that any talks would not provide immediate answers, but rather that peaceful debate is a long-term method to solving complicated issues.

It is about “spreading the word,” one of our counselor’s said. This is true. A lot of people suggested that they had prejudice feelings towards ‘the other side’ before they joined Peacecamp, but left feeling no sense of hate or regret. We must spread this feeling across the world. I hope this is an inspiration to you all, and i hope that it will inspire you to give peace-orientated activities a shot. In reading this, I want you to realise that being biased will never bring solutions. If both sides victimize one another, or see themselves as victims, then there will be no solutions. It is rather paradox that in a camp full of adolescents I learned that we musn’t see life so black and white. We must learn to compromise with shades of grey in order to get something. Peace is never white. Although Peacecamp sounds very corny and ideological, I believe that the participants remained very realistic.

I believe that we must remain on, more or less, neutral ground to pave the road for mutual co-existance in this world. No matter what the situation. “To be neither actor nor victim,” is the camp slogan, but I believe that it is almost impossible to be neutral when you are personally affected. However, we can always try to see thing both both points of views through consuming a wide range of media and being open to different perspectives.

I have learned that peace starts with the youth. We must break the generation contract in which belief is passed down by our parents from generation to generation. Rather, we must be given the chance to make up our own minds through mingeling and debating with people our own age. We must come together in camps such as these and brainstorm. This is what I call the road to peace, and I think we are already on it.

SPREAD THE WORD!”

Autor: Rafael Milan Kropiunig, Teilnehmer



Veronica Lion über peacecamp 2006

Hier sitze ich nun und denke über die vergangenen zehn tage nach. Sie waren wohl das aufregendste und tollste, was mir in meinem leben je widerfahren ist. Immer noch könnte ich in tränen ausbrechen, wenn ich daran zurückdenke, als wir alle gemeinsam am flughafen standen und uns zum abschied umarmten, wohl wissend, dass es sein könnte, dass wir uns nie wiedersehen. Niemals hätte ich gedacht, dass ich so viele tränen vergießen würde. Aber als ich in die vereinzelten verheulten gesichter blickte, und zwar nicht nur in die der mädchen, realisierte ich zum ersten mal nach diesen tagen, dass es wirklich aus war.
Es war nun vorbei mit dem morgentlichen gewecktwerden von einem der mädchen, vorbei mit dem anblick der müden geschichter in den betten und im badezimmer vor den spiegeln, wo die ersten morgentlichen schönheitsrituale anfingen. Es war aus mit dem sich-zum-frühstück-schleifen und dort eine portion cerealien mit milch in sich hineinschütten um zum ersten workshop zu hasten. Es würde kein singen mehr in der früh geben, kein sich-fürchten davor von Hannibal dem gesangslehrer in aller früh zum alleinigen vorsingen gedrängt zu werden, keine gemeinsamen gospelsongs und sich gegenseitig anlächeln und über die witzigen methoden hannibals zu lachen, wenn er uns dazu brachte unseren mund seitlich mit der hand zu einem fischmund zusammenzudrücken um den tönen, die aus unserem mund strömten freien lauf zu lassen. Auch würde er uns nie mehr dazu zwingen um neun in der früh vollkommen gerade und mit beiden beinen fest auf dem boden aufkommend dazusitzen.
Es würde auch keine tanzstunden mehr mit gabrielle geben, die uns mit ihrem morgentlichen sonnen-sand gruß aufwecken wollte. es würde keine tänzerischen improvisations-bewegungsspiele mehr geben, die uns die scheu vor einander nehmen sollten. und überhaupt würde es keinen vormittag in naher zukunft geben, der so auf diese art und weise gestaltet werden würde. Kein vormittag der welt würde mit einer group discussion (analytische großgruppe) zu ende gehen, die ich absolut nicht austehen konnte und sie doch irgendwie zu bewältigen lernen musste.
Die spannung was sich hinter den gelieferten metallkisten in unserer küche befand, was heute unser mittagessen sein würde, das gemeinsame anstellen, das herumalbern, das suchen nach einem platz, immer der gleiche saft, das singen, das wir so gut wie nie unterbrachen, einfach alles. sogar das abwaschen, zu dem jeder einmal eingeteilt wurde würde ausfallen. nirgends würde es mir je wieder so viel spaß machen können.
All die nachmittage, die wir auf der schaukel, am und im see beim reinstoßen anderer und beim reinstoßen-werden, teilweise im bett aufgrund unserer dauermüdigkeit, am gang sitzend und uns unterhaltend und herumalbernd und film schauend, all jene gehören der vergangenheit jener zehn tage an.
Die geteilten afternoon group works würden ein ende haben. das ständige herumstreiten welche idee die bessere sei, ob man von oben oder von unten über das seil steigen sollte, wer wo ziehen soll und ob man die aufgabe überhaupt bewältigen könne würde aufhören, zum glück, denn unsere gruppe war eine katastrophe...und doch gehörte es dazu.
Das abendessen, das abermalige herumgealbere, das sich-anhören von jüdischen witzen über den holocaust und über die jetzige situation, das am anfang und wohl immer noch für uns schwer nachvollziehbar war, das lange aufbleiben bis spät in die nacht und die mitternächtlichen käsebrot mit tomaten snacks-noch nie in meinem leben habe ich so viele käsebrote gegessen-das schließliche einschlafen als die sonne schon bereit war aufzugehen in einem einmaligen schnachkonzert dreier mädchen, die es tatsächlich schafften einen todmüden menschen vom schlafen abzuhalten, das neben einander schlafen, das mitten in der nacht von erlebnissen flüstern, das in einem bett oder draußen im schlafsack schlafen, das alles war nun vorbei.
Es würde keine umarmungen geben, die so aus dem nichts auftauchen, von leuten, die man gerade einmal zehn tage seines und ihres ganzen lebens kannte. nie könnte man unseren ausreißerausflug um fünf in der früh nachahmen, nie wäre das gefühl das gleiche auf einmal uris auto zu sehen. Nie gäbe es diese konflikte und probleme, die es dort natürlich auch gab. Nie glaubte ich würde ich jemals so viel schande für österreich empfinden, als eine kleingruppe von uns von betrunkenen leuten der umgebung beschimpft und angegriffen wurde.
Nie würde ich all die leute vergessen, die mir in dem augenblick am flughafen in die augen sahen und mich fest drückten. Ich weinte sogar um die, die nicht zu meinen besten freunden dort gehörten. Schließlich hatte ich sie alle irgendwie in diesen zehn tagen in mein herz geschlossen. Sogar jetzt wenn ich darüber schreibe füllen sich meine augen mit tränen, ich kann nichts dagegen tun. Genauso wenig wie damals am flughafen. Und es schien so lange her als wir sie dort zehn tage zuvor abgeholt hatten.

Ich war mit dreißig anderen jungen menschen am tag unserer ankunft in einen traum gefallen. ich glaubte er würde nie enden, sondern ewig so weitergehen. die tage vergingen und ich verlor jegliches zeitgefühl. doch die tage vergingen, so schnell, dass ich es überhaupt nciht mitbekam. Ich glaube es gibt kein einziges gefühl dass ich in diesem camp nciht gefühlt habe. vorrangig habe ich gelacht und mich unendlich glückllich gefühlt, aber es gab auch momente, in denen das gegenteil der fall war. Ich fühlte mich teil der gruppe, dann wieder nicht, war wütend, traurig, fröhlich und einfach wunschlos glücklich. Ich habe sehr viel über mich selbst herausgefunden in diesem traum, der am flughafen zerplatzen musste. doch der abschied wurde gekrönt von einem tollen abend im gnadenlos am schwedenplatz. keiner dort konnte meiner ansicht nach wahrhaben was am nächsten morgen passieren würde und doch hatte wohl jeder das mulmelige gefühl im magen, dass man morgen leute umarmen würde, die man in seinem ganzen lebe nie wieder treffen würde, oder doch???

Autorin: Veronica Lion, Teilnehmerin





Sprache der Bomben?

Zehn Tage in Franzen, im ehemaligen Schulgebäude.
Zweiunddreißig junge Menschen aus vier verschiedenen Ländern.
Zweiunddreißig heranwachsende Persönlichkeiten. Pubertierend, unrund in sich selber, neugierig, wissbegierig, quirlig, hungrig, unordentlich und schnell!!!! Schnell im Denken, Schnell im Aufnehmen von Inhalten, schnell im Umsetzen, schnell im Organisieren eines „Streiks“: am fünften Tag stehen sie geschlossen um fünf Uhr früh auf und verlassen das Schulgebäude.
Mein workshop beginnt um neun. Niemand da. Sehr witzig, denke ich. Sie haben offenbar keine Lust, brav im Kreis zu sitzen und den „inner sound“ eines Kollegen zu erforschen. Die Minuten rinnen dahin, meine Stimmung wird immer schlechter. So konsequent habe ich mir die Teenager nicht vorgestellt! Was wollen sie mir mit dem Ausbleiben sagen? Ich entdecke, dass ich zittere. Ich vermisse sie. Ich habe Angst, es könnte ein Unglück passiert sein. Gleichzeitig entdecke ich Wut in mir.
Gegen zehn höre ich (endlich) ihre jungen Stimmen. Lachen, Singen, Kichern, Schreien. Schreien!!!!!!
Sie erklären, dass sie als Gruppe geschlossen gegen die gestrige Methode des Aufweckens (laute Musik, hihihihihi) protestieren. Danach arbeiten sie konzentriert an abstrakten Ausdrucksweisen negativer Gefühle. Konsonanten. Keine Vokale. Beinahe Stille. Denken. Wir Teammitglieder beschließen, unsere Weckmethode wieder auf den Anfangsmodus zu stellen.

Sprache dieser Teenager: prägnant, offensiv, provokant. Intelligent und verständlich. Sie erklären: sie haben sich als Jugendliche solidarisiert.

Ich frage die Menschen meiner Altersgruppe ( Mitte-Vierziger! Kollegen! ) in Europa, in Israel, GLOBAL, wie wir zu einer Sprache der Bomben gefunden haben? Warum lassen wir zu, dass Menschen unseres Alters Kriege führen?

Warum haben wir uns dermaßen „weich klopfen“ lassen?
Warum sind wir so schwach?
Ich persönlich finde keine greifbare Antwort. Bruchfetzen vielleicht, etwa
„der Hochleistungsdruck unserer Informationsgesellschaft deformiert unsere Instinkte“, blabla, und schon wieder depressives Magenwirbeln.

Schnell.
Schnell.
Ich hoffe und wünsche, dass die Teenager dieser Zeit NICHT in Trägheit, Stumpfheit, Kriegsbereitschaft verfallen.
Ich hoffe und wünsche, dass sie schnell, schreiend, provozierend, denkend und konfliktfähig bleiben. Und ich bitte die geschätzten Erwachsenenkollegen all over the world, die Jugendlichen zu SCHÜTZEN. Denn SIE SPRECHEN DIE SPRACHE DER BOMBEN NICHT .

Autorin: Gabriela Hütter, Leiterin des Workshops "Inner Sound"


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